Was ist Stress eigentlich genau?
Ausführliche Beschreibung mit Anleitung zur Veränderung
Der Begriff „Stress“ (engl. Druck, Kraft; lat. stringere: anspannen) entstammt der Geologie und bezeichnet einen einseitigen, gerichteten Druck bei tektonischen Vorgängen und wurde später auch in der Werkstoffkunde allgemein für den Zustand eines Materials verwendet, das unter Zug oder Druck steht.
Erst in den 50er Jahren hat der Begriff seine Bedeutung in der psychosozialen Wissenschaft erhalten. Dabei wird Stress als ein Muster spezifischer und unspezifischer Reaktionen eines Organismus auf belastende Reize (Stressoren) definiert, die als Schädigung, Bedrohung oder Herausforderung bewertet werden und seine Fähigkeiten zur Bewältigung strapazieren oder übersteigen.
Als Stressoren (Stressauslöser) werden alle inneren und äußeren Reize bezeichnet, die Stress verursachen und dadurch das betroffene Individuum zu einer Anpassungsreaktion veranlassen. Der Organismus interpretiert die auf ihn einwirkenden Reize und ihre Auswirkungen für die jeweilige Situation und bewertet sie entweder positiv oder negativ.
Manche Stressoren, wie z.B. körperliche Verletzungen werden von allen Menschen als Bedrohung angesehen und rufen bei jedem Individuum Stressreaktionen hervor. Andere Ereignisse wiederum sind in ihrer Beurteilung von der allgemeinen Lebenssituation und von den Kompetenzen bzw. der Bewertung der eigenen Fähigkeiten abhängig. Selbst Unterforderung (Langeweile) wird oftmals als Stressor bewertet. Durch diese Bewertung entscheiden wir oft unbewusst, ob wir eine Situation bewältigen oder von ihr „überwältigt“ werden.
Denn man kann einen Stressor auch als eine Herausforderung betrachten, die es uns ermöglicht, mit Höchstleistungen zu reagieren. Eine Stresserfahrung kann uns durchaus aufputschen, wenn wir ihr mit Selbstbewusstsein und Aussicht auf Erfolg entgegentreten. Die Anpassungsreaktion des Körpers und der Psyche auf diese Belastung ist an sich nicht gesundheitsschädigend und der phasenhafte Verlauf wird eher als angenehm und leistungssteigernd erlebt (àpositiver Stress = Eustress).
Überfordert uns hingegen ein Ereignis, stehen wir diesem Stressor oft hilflos gegenüber und haben keine adäquate Möglichkeit, ihm entgegenzutreten. D.h. im Übermaß bzw. bei ständiger Überforderung, Unterforderung oder permanenten Zeitdruck kann er gesundheitsschädigende Auswirkungen hervorrufen (ànegativer Stress = Disstress).
Kampf oder Flucht?
Stress hat primär die evolutionsbiologische Funktion, durch die Ausschüttung von Stresshormonen im Organismus die Aufmerksamkeit und Anspannung zu erhöhen, um in Gefahrensituationen blitzschnell reagieren zu können. Dabei kommt es in unserem Körper zu einem komplizierten Ablauf von Prozessen, die unseren Organismus auf diese „Höchstleistung“ einstellen, während nebensächliche Körperfunktionen (Verdauung, Sexualhormone, Infektabwehr, Schmerzempfindung) gezielt herunter reguliert werden.
Sehen oder erleben wir etwas, das wir für bedrohlich halten, lässt das Gehirn blitzschnell ein ganzes Geflecht von hormonausschüttenden Drüsen aktiv werden.
Zunächst werden Botenstoffe aus dem Hypothalamus zur Hirnanhangdrüse geschickt: Das Vasopressin und das CRH (Cortico-releasing-Hormon). Dann schüttet die Hirnanhangdrüse das ACTH aus (Adrenocorticotropin), was seinerseits die Rinde der Nebenniere stimuliert, das Stresshormon Kortisol auszuschütten. Kortisol wirkt auf fast alle Zellen des Körpers und bündelt unsere Aufmerksamkeit.
Gleichzeitig wird unser sogenanntes sympatisches Nervensystem aktiv, um unseren Körper auf Aktivität einzustimmen. Hierfür werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Diese Hormone – auch Katecholamine genannt – aktivieren den Kreislauf und machen uns wach.
Insgesamt führt es dazu, dass unser Körper mehr Sauerstoff und Energie bekommt, um z.B. schnell handeln zu können. Der Atem beschleunigt sich, Puls und Blutdruck steigen an, die Milz schwemmt mehr rote Blutkörperchen aus, die den Sauerstoff zu den Muskeln transportieren, die Adern in den Muskeln weiten sich für eine bessere Durchblutung, der Muskeltonus steigt an. Außerdem wird die Blutgerinnung gesteigert, um den Körper vor Blutverlust zu schützen und Verdauungs- und Sexualfunktionen werden zurückgefahren, um Energie zu sparen.
Zum Glück haben wir aber auch eine eingebaute Stressbremse. Ist nämlich das Stresshormon Kortisol in ausreichendem Maß im Blut vorhanden, merken das bestimmte Rezeptoren im Drüsensystem und im Gehirn und die Nebennierenrinde stoppt dann die Produktion von weiterem Kortisol. Das parasympathische Nervensystem – der Teil des Nervensystems, der unseren Körper zur Ruhe kommen lässt – wird aktiv und wir werden wieder ruhiger und können uns entspannen.
Wenn das Zusammenspiel der Hormone aber nicht optimal funktioniert, z.B. wenn nicht genügend Rezeptoren vorhanden sind, die merken, dass genug Kortisol vorhanden ist, oder wenn die vorhandenen Rezeptoren nicht richtig arbeiten, dann bleibt zu viel Kortisol im Körper, was in gravierenden Fällen zu Denkstörungen, Gewebeschwund im Gehirn und zu Störungen des Immunsystems führen kann. Auch die Entstehung von Depressionen oder Stoffwechselstörungen wird auf diesen Einfluss zurückgeführt.
Sogar Stress der schon jahrzente zurück liegt, kann unter Umständen die Funktion von Genen die an Stressreaktionen beteiligt sind nachhaltig beeinflussen. Am Münchner Max-Planck-Institut wurde das neurowissenschaftlich bereits an Tieren nachgewiesen. Insbesondere Traumatisierungen aus der Kindheit haben hier eine besonders starke Auswirkung.
Die Wissenschaftler vertreten die Hypothese, dass diese Menschen ihr Leben lang besonders anfällig für Stress und in der Folge für Depressionen oder Angsterkrankungen sind.
Anfällig bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass sie erkranken müssen. Wenn die ja generell wichtige Selbstwahrnehmung (zu Primärbedürfnissen) und -fürsorge (z.B. Mentaltechniken, Ruhe, soziale Integration, etc.) ausreichend ausgeprägt sind, können auch sie sehr leistungsfähig sein und ein normales Leben führen.
Kortisol hat ja das Ziel den Organismus zu beruhigen, damit er heilen kann, z.B. eine Verletzung oder eine Infektion. Setzt die Ruhephase aber nicht ein, wird mehr Kortisol ins Blut gepumpt. Deshalb fühlen Sie sich bei dauerhaftem Stress so erschöpft und werden mit der Zeit immer ineffektiver und ausgelaugt. Der Körper verlangt was er braucht. Sie sollten lernen, darauf zu hören und frühzeitig das Richtige für sich zu tun.
Entwickeln sich die beschriebenen Stressreaktionen nur gelegentlich, dann beeinträchtigt das unsere Gesundheit nicht. Werden die Stresshormone allerdings zu häufig ausgeschüttet, leidet der Körper unter dem auflaufenden Hormonüberschuss und den dadurch verursachten Körperreaktionen, was zu einer Abnahme der Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit führt. Bei einer Langzeitwirkung von Disstress in Kombination mit fehlenden Bewältigungsstrategien kann es zu weiteren Einschränkungen wie Nervosität, Unzufriedenheit, Anspannung, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Angstgefühlen, Tunnelblick und traurigen (bis depressiven) Stimmungslagen bis hin zum „Burn-Out“ (Belastungsdepression) kommen. Die verengte Wahrnehmung (Tunnelblick) trägt zusätzlich zum Stressgeschehen bei, wenn der Betroffene z.B. angehalten ist, eine Lösung für die bestehende Herausforderung zu finden, aufgrund seines Tunnelblicks aber kaum dazu fähig ist.
Burn-out (engl.burn out‚ausbrennen‘) beschreibt einen Zustand tiefer emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung aufgrund beruflicher oder anderweitiger Überlastung bei der Lebensbewältigung. Diese wird meist durch Stressausgelöst, der wegen der verminderten Belastbarkeit nicht bewältigt werden kann. Burn-out ist aber kein Zustand, sondern ein Prozess, der sich über Monate oder auch Jahre entwickelt.
Interessant ist, dass Burn-out und Depression eines gemeinsam haben: In beiden Fällen sinken die Stimmungshormone Serotonin und Nordadrenalin im Gehirn deutlich ab. Das Erste sorgt für die gute Laune, das Zweite für den Antrieb. Wenn diese Stimmungshormone weniger produziert werden, steigt die gefühlte (Arbeits-) Belastung. Dadurch steigt dann das Stresshormon Kortisol im Blut an, welches wiederum die Produktion dieser Hormone hemmt – und der Teufelskreis beginnt.
Es ist wichtig, die ersten Alarmsignale, wie z.B. wie Erschöpfung, Gereiztheit und innere Leere, zu erkennen und ernst zu nehmen, genauso wichtig ist es aber auch, herauszufinden, wodurch die empfundene Belastung entsteht. Welche Bedürfnisse und Ziele werden vernachlässigt oder welche – eventuell unerfüllbaren Erwartungen erhöhen die Belastung?
In dieser frühen Phase ist Hilfe durch Selbsthilfeeine vielversprechende Lösung aus der Stressspirale. Wenn man z.B. seine innere Haltung verändern kann, anstatt zu versuchen, die äußeren Umstände grundlegend umzukrempeln (die ggf. nicht oder nur schwer veränderbar sind), so ist man schon auf dem richtigen Weg. Eine gute Selbstorganisation und das Erlernen von Entspannungstechniken sowie eine gesunde Lebensführung mit Sport, gesunder Ernährung und vor allem auch ausreichendem und regelmäßigem Schlaf stärken den Organismus, so dass wir darin unterstützt werden, dem Stress anders zu begegnen.
Die nachstehende Grafik zeigt nochmal deutlich den Zusammenhang zwischen Leistung/Motivation und Stress.
Die gesundheitsschädigenden Auswirkungen werden vor allem durch folgende Aspekte hervorgerufen:
- Ständige Erregung des Sympathikus -> Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Erhöhter Zuckerspiegel -> Leber- und andere Organerkrankungen
- Erhöhter Cholesterinspiel -> Schlaganfallrisiko
- Verminderte Darmtätigkeit -> Verdauungsproblem, Magen-/Darmerkrankungen
- Erhöhter Muskeltonus -> Verspannungen, Haltungs- und Gelenkschäden, Spannungskopfschmerz
- Chronische Belastung -> Organismus in ständiger Widerstandsbereitschaft, Erschöpfung, Leistungsverlust
- Geschwächte Immunkompetenz -> Anfälligkeit für Infekte
- Gesundheitliches Risikoverhalten -> Kompensation z.B. durch Suchtmittel (übermäßigen Konsum von Alkohol, Zigaretten, Kaffee, etc. ) und/oder Essen
Eine pragmatische Klassifikation von Stressoren unterscheidet:
Objektive Stressoren: Schlafentzug, Verletzungen, Krankheiten, schwere Operationen, Verbrennungen, Unterkühlung, Hitze, Kälte, Luftdruckveränderungen, Hunger, Durst, Lärm, intensives Licht, Isolation, Dichte (wie Bevölkerungsdichte), monotone Arbeit, Unterforderung und Überforderung (meistens in Verbindung mit subjektiven Stressoren), schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen, Nichterfüllung wesentlicher Bedürfnisse.
Subjektive Stressoren: Negative Denkmuster, die Neigung zu Ungeduld, Ärger, Wut, Angst, Feindseligkeit, Dominanzstreben oder Konkurrenzdenken, falsche Situationsbewertungen, Schwarzsehen, Hineinsteigern, selbst gemachter Zeit- und Leistungsdruck, zu hohe Erwartungen, Enttäuschungen, eingebildete Bedrohung oder Hilflosigkeit.
Es fällt auf, dass objektive Stressoren, also diejenigen die i.d.R. bei jedem Menschen ähnliche Reaktionen hervorrufen, körperliche Belastungen darstellen. Daher verwundert es nicht, dass wir Menschen hier genauso wie alle anderen Säugetiere reagieren.
Die subjektiven Stressoren stellen vor allem psychische Belastungen dar. Und das sind diejenigen denen der moderne Mensch überwiegend ausgesetzt ist. Sie sind der Grund für Nervosität, Erschöpfung oder gar einem Burn-out. Die Reaktion auf subjektive Stressoren ist zu einem großen Teil gelernt und wird durch individuelle Denk- und Verhaltensmuster verstärkt oder reduziert.
Hat uns der Stress im Griff?
Das alles klingt ganz so, als hätte uns der Stress schon im Griff, bevor wir das Wort Entspannung überhaupt denken können. Denn Stressreaktionen sind – wie oben beschrieben – automatisch ablaufende Reaktionen und ehe wir uns versehen, und ohne, dass wir uns bewusst zu einer Stressreaktion entschlossen hätten, sind wir schon mitten drin.
Aber wir sind dem Stress nicht so hilflos ausgeliefert, wie es zunächst den Anschein hat. Wir können unsere Stresskompetenz trainieren und damit unsere Bewältigungsstrategien optimieren. Auch die Neurowissenschaft hat mittlerweile bestätigt, dass insbesondere die innere Haltung und Entspannungstechniken einen nachhaltigen Einfluss auf die Stressreduktion haben.
Ein weiterer entscheidender Faktor bei der Stressbewältigung ist, dass man wieder mehr das Gefühl bekommt, die Kontrolle über sein Leben zu haben und sich weniger fremdbestimmt fühlt. Wenn man wieder die Kontrolle über sich und sein Handeln zurückgewinnt, wenn man sich nicht mehr fremdgesteuert fühlt, dann hat man keinen Stress.
Du kannst lernen, wie Du mit den Reizen (Stressoren) anders umgehst, Du kannst lernen, die Verantwortung für Deinen persönlichen Zustand zu übernehmen und ihn positiv zu beeinflussen (State Management). Nachdem die Veränderung „im Kopf“ den nachhaltigsten Einfluss hat, kannst Du lernen Deinen inneren Dialog positiv zu beeinflussen. Wir denken und reden innerlich sowieso den ganzen Tag – hier kommt es darauf an, diesen inneren Dialog für Dich positiv nutzbar zu machen.
Persönliches Wachstum beginnt mit Selbsterkenntnis, daher ist eine gesunde Selbstwahrnehmung für die eigene Bewusstseinsbildung und das Selbstbewusstsein unerlässlich. Genauso wie Selbstfürsorge in der Regel viel zu kurz kommt, nicht zuletzt weil es in unserem Kulturkreis oft mit Egoismus verwechselt wird. Doch wenn wir nicht lernen, achtsam und fürsorglich mit uns selbst umzugehen und unsere eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, geraten wir nur zu schnell in eine Stressspirale, die am Ende dazu führt, dass wir uns weder um uns noch um andere kümmern können.
Das Mentale Stärken Training ®ist aus diesen Erkenntnissen der modernen Stress- und Neurowissenschaften entstanden.