Interview mit Detlef Hempel zum System Coach
Heiko Alexander: Hallo Detlef, wie geht es dir und was machst du zur Zeit?
Detlef Hempel: Fein geht es mir und bis Weihnachten bin ich ausgebucht. Für meine Kunden und Klienten mache ich Coachings, Trainings und halte ab und an Vorträge. Freue mich dann natürlich auf ein paar Tage Skifahren zwischen den Jahren, um mit der Familie zu entspannen.
Meine eigenen Fortbildungen dieses Jahr führten mich zur TA, zum EFT und zu hochinteressanten Varianten erweiterter Teilearbeit, das in einem integrierten Modell von einem erstklassigen Kollegen angeboten wurde.
Du warst ja als einer der Haupttrainer in der NLP-Trainer-Ausbildung bei uns in München mit dabei. Wie hat dir diese Ausbildung gefallen?
Sehr gut. Es war ein sehr schönes Arbeiten mit der Gruppe. Die Gruppe war sehr unterschiedlich in Ihren Ausrichtungen und super vorbereitet und motiviert zu lernen und zu üben. Nur deshalb konnte der Kurs in der Zeit so erfolgreich gestaltet werden. Danke für deine hervorragende Vorarbeit – der strebende und frohe Spirit war deutlich bei den Menschen in der Ausbildung erlebbar!
Welchen Reiz hat systemisches Arbeiten für Dich?
Zuallererst, die Dimensionen, die diese Arbeit eröffnet. Das erweiterte Verständnis, um Strukturen unseres Erlebens und Wahrnehmens viel besser zu verstehen. Ein riesengroßes spannendes Lernfeld also pures Abenteuer.
Und welche Vorteile siehst Du darin?
Die Vorteile sind gewaltig, weil die Sicht der Dinge immens erweitert und variiert wird – genau wie in den Prämissen von NLP gewünscht: Finde den Unterschied, der den Unterschied macht! Und sei flexibel! Die Erkenntnis, das mehr als der oder das Einzelne gesehen werden kann und muss, um gute Lösungen in komplexen Zusammenhängen zu finden.
Damit liefert diese Sicht und Arbeitsweise effiziente Werkzeuge für die Arbeit mit Menschen und in Organisationen. Meiner Meinung nach unverzichtbar für Berater, Coachs und helfende Berufe und viele andere, die in diesen Feldern professionell arbeiten.
Bert Hellinger ist die bekannteste Person im Bereich systemischer Arbeit. Wie ist Dein Kontakt zu ihm?
Sehr gut. Ich habe Ihn jetzt lange nicht mehr persönlich gesehen, aber früher bei Ihm persönlich gelernt und wurde auch von Ihm supervidiert – Anfang der 90er – schon bevor sein Ansatz so populär wurde. Ihm gilt meine volle Bewunderung. Ein besonderer Therapeut und Mensch – bzw. Therapeut will er ja lange nicht mehr sein, sondern ein praktizierender Philosoph. Das trifft es auch tatsächlich und besser. Den Ansatz, den er in die systemische Arbeit gebracht hat, ist ein Meilenstein, dessen Dimension wahrscheinlich erst in einigen Jahren voll gewürdigt wird.
Im Moment ist die kontroverse Diskussion etwas abgeebbt – das ist auch gut so. Bedauerlicherweise kam oft die meiste Kritik von denen, die nie eine tatsächliche Erfahrung damit gemacht haben, das kannten wir auch im NLP.
Aber letztlich hat Recht, wer hilft. Kritik darf auch sein – das gehört zur Auseinandersetzung. Aber Dummheit aus Vorurteilen in solchen Diskussionen mag ich gar nicht. Aber auch bei Fachleuten in diesem Metier gibt es jede Menge Eitelkeiten und oft auch einfach profane Interessen, statt konstruktive Auseinandersetzungen um die Sache – ein typisch menschliches Problem.
Welche Philosophie verfolgst Du beim systemischen Arbeiten?
Die erste Frage lautet: „Was hilft dem Klienten (wirklich)?“.
Dabei suche ich die Lösung, die trägt. Wie finden die Betroffenen einen Weg durch das „Problemlabyrinth“ und am Ende eine stimmige Lösung, die Kraft gibt. Und wie können Klienten erreichen, von vergeblichen Lösungsversuchen zu lassen – also dysfunktionale Muster aufzugeben, um bessere Alternativen zu wagen. Das ist oft gar nicht so leicht – das kennt jeder im Fach aus jeglicher Veränderungsarbeit. Die systemische Arbeit hilft hierbei, durch das besondere Arbeiten mit den inneren und äußeren Beziehungsstrukturen Lösungen zu finden, an die man anders gar nicht heran käme bzw. den Betroffenen ist auf der bewussten Ebene gar nicht klar, woher die Problemdynamik wirkt. Speziell die Aufstellungstechniken helfen hier Einsichten zu bekommen, die ansonsten nicht zugänglich wären. Somit wird eine ganz spezielle Klasse von Problemen bearbeitbar, die sich sonst dem Zugriff entziehen würden.
Was ist der Unterschied zw. Familien und anderen Systemen?
Das Familiensystem ist basal – dort stammen wir her, die Einflüsse daraus sind biologisch, sozial, strukturell grundsätzlich und deshalb entscheidend auch für unsere Entwicklung und persönliche Identität. Eine Mitgliedschaft in z. B. einer Organisation kann uns auch sehr beeinflussen, aber diese Mitgliedschaft kann man verlassen, eine Familienherkunft nicht. Deshalb wirken unterschiedliche „Gesetzmäßigkeiten“ in unterschiedlichen Systemen. Dem trägt man Rechnung durch dem angemessene Arbeitsmethoden.
Bei meinen Coachings arbeite ich in 2 von 3 Sitzungen systemisch. Wie nutzt Du systemisches Arbeit im Coaching?
Erstens, wenn es passt, sprich zur Problemlösung notwendig ist oder auch ein Teil der Lösungsarbeit darstellt – was relativ oft der Fall ist. Und ständig, um für die Klienten Perspektiverweiterungen möglich und erlebbar zu machen.
Verändert dieses Wissen den Umgang mit seinen Mitmenschen und die Betrachtung unterschiedlicher Lebensphasen?
Definitiv – jeder der diese Dynamiken erlebt, z.B. in der Ausbildung oder in einem Aufstellungsseminar wird tief ergriffenen von den darin sichtbar werdenden Dynamiken des menschlichen Lebens. Man begreift: Wir sitzen alle in einem Boot und jeder hat sein Leben zu meistern. Egal was sein sein Schicksal von ihm verlangt. Und wie diese Bewältigung auch in unterschiedlichen Abschnitten unterschiedliches Wissen und Handeln erfordert und möglich macht ist sehr bereichernd und beeindruckend. Und für die „klassischen“ systemischen Werkzeuge im Kurs gilt, dass sie uns zeigen, welche Gestaltungsräume wir haben, um aus verengenden Ansichten auszubrechen.
Bedeutet systemisches Arbeiten immer Aufstellungen durchzuführen odergibt es auch andere Möglichkeiten?
Wie eben schon angesprochen, unterrichte ich im Kurs auch andere systemische Methodiken und Techniken – also beide Welten: Phänomenologisch und konstruktivistisch. Für mich ist dies kein Widerspruch, sondern beides ergänzt sich, auch wenn es sich manchmal von der Theorie her widerspricht . In der pragmatischen Arbeit eröffnet das wunderbar vielfältige Wege.
Manche Leute betrachten Aufstellungen als etwas mystisches, was meinst Du dazu?
Nun, es gibt auch verschiedenen Aufstellungsmethoden – Satir, Moreno, Schönfelder , v. Kibed, Heidelberger Schule etc. Mit dieser Aussage ist oft die Methode von Bert Hellinger verbunden. Das bezieht sich auf ein Phänomen in dieser Methode, das die aufgestellten Protagonisten Informationen ausdrücken, die sie eigentlich nicht haben könnten – ein wissenschaftlich noch nicht untersuchtes Phänomen, das denen, die das zum ersten Mal erleben, erst einmal suspekt erscheint. Zumal das auch dem derzeitigen allgemeinen Glaubenssystem widerspricht. Es gibt dazu erste Studien von König und auch G. Weber hat ein Forschungsprojekt letztes Jahr aufgestellt.
Unabhängig davon „funktioniert“ das praktische Arbeiten mit dem Phänomen seit Jahrzehnten hervorragend. Für die praktische Arbeit ist also kein theoretisches Erklärungsmodell von Nöten.
Allgemein verstehen auch viele Leute nicht, warum und wie überhaupt Veränderungsarbeit, Therapie, Psyche und Geist funktionieren. Dort gibt es großes Nichtwissen, weil auch unser Bildungssystem einerseits eine Richtung bevorzugt und anderes vernachlässigt. Dementsprechend stehen sich hochqualifiziert ausgebildete Anteile gegenüber von „Eingeborenen“, die noch durch Glasperlen zu beeindrucken sind. Oder einfacher ausgedrückt: Viele Menschen benutzen z. B. ein Handy oder den Computer oder fahren Auto ohne irgendeine Ahnung zu haben wie das technisch eigentlich funktioniert. Sie benutzen einfach was Fachleute zur Nutzung entwickelt haben – und gut. Ich bin auch kritisch gegenüber den wissenschaftlich argumentierenden. Die sind oft gar nicht wissenschaftlich, sondern eher narzisstisch oder bedacht ihre Pfründe zu sichern oder ängstlich und pseudobehütend und deshalb einfach nur denunzierend ohne wirklich gegründetes Wissen.
Dummheit und Angst sind scharfe Schwerter – auch in Händen sogenannter Fachleute.
Um zur Frage zurück zu kehren – für mich ist daran nichts Mystisches. Eher etwas spirituelles und philosophisches – im Sinne von: Berührt werden von und durch die Fragen unserer menschlichen Existenz. Das trifft es für meinen Geschmack besser.
Ansonsten stehe ich in der Tradition der Aufklärung – mit der Prämisse Pionier, d. h. unerschrocken zu sein – auch zu noch nicht erklärbaren Phänomenen mich einfach neugierig und interessiert zu verhalten. Und dem Aberglauben beider Seiten kein Verständnis entgegenzubringen.
Was sind die Motive der Teilnhmer für eine systemische Ausbildung?
Faszination – neues Wissen – so interessant und spannend und praktisch obendrein. Was kann in der Weiterbildung attraktiver sein?
Wie verträgt sich systemisches Arbeiten mit NLP? Einige Ansätze existieren ja bereits im NLP.
Sehr gut. Seit fast zwanzig Jahren arbeite ich mit beidem. Es hat einige Jahre gedauert bis ich die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet habe. Dies fließt jetzt in die Ausbildungen mit ein. NLP‘ler lernen sehr schnell das Systemische, weil sie gelernt haben generativ Strukturen und Muster zu erkennen und zu verstehen – Prozess und Inhalt voneinander unterscheiden zu können.
Das Systemische ergänzt den NLP-Ansatz um wesentliches, weil im NLP der individuelle Anteil mehr im Fokus liegt, auch aus der historischen Entwicklung der humanistischen Psychologie in den Siebzigern begründet. Die Ergänzungen bestehen deshalb auch aus erweiterten Vorannahmen und neuem Verstehen von menschlichen Prozessen . Einiges widerspricht sich aber auch grundsätzlich und bilden eine gute Übung für Ambivalenz. Etwas, was ein NLP oft so noch nicht kennt und ihn deshalb in der Arbeit bereichert.
Wem empfiehlst Du eine Systemische Ausbildung und weshalb?
Allen, die mit Menschen und in Organisationen mit Menschen professionell arbeiten.
Die, die sich weiterentwickeln wollen in ihrem Berufsfeld. Die die eine beratende Tätigkeit anstreben.
Berater, Coaches, Trainer, helfende und heilende Berufe, Seelsorger, Pfarrer, Lehrer, Führung, Personalentwicklung u.v.m.
Welche Schwerpunkte enthält die Ausbildung?
Die Methoden zu lernen, um sie in den gewünschten Feldern einzusetzen – Im Einzel, wie auch in der Teamberatung – für persönliche und auch Anliegen in Organisationen und Gruppierungen.
Wie erleben die TN die Ausbildung? Was verändert sich bei ihnen?
Sie werden erstaunt sein, von dem Raum, der sich dadurch öffnet und selbst bewegt, durch die eigenen Erfahrungen. Sie qualifizieren sich natürlich weiter und entwickeln sich persönlich besser. Ihr Methodenkoffer wird reichhaltiger genauso wie ihr Modell der Welt. Eine entscheidende Komponente in diesem Bereich. Sie gewinnen ein neues Verstehen über sich selbst, über andere und über die Arbeit. Ein herrliches Lernabenteuer wartet auf sie.
Lieber Detlef, vielen Dank für das Gespräch!