Epigentik im Coaching

Generationenübergreifende Muster

Wie kann es sein, dass eine Last aus der familiären Vergangenheit, sich auch noch auf zukünftige Generationen auf einer psychischen Ebene auswirkt? Jeder erfahrene Therapeut weiß, dass manche Verhaltensmuster nicht aus dem aktuellen Umfeld eines Klienten erklärbar sind. Schaut man in die Lebensgeschichte der betroffenen Person ist ebenfalls wenig erkenntnisreiches zu gewinnen. Was allerdings manche Leute nicht davon abhält dann einfach aus dem Vorhandenen irgend etwas pseudoplausibles zu stricken.

Doch bleiben wir bei der professionellen Analyse. Erkenntnisreich wird es nämlich erst, wenn man die Familiengeschichte des Klienten mit einbezieht. Denn jetzt stellen wir plötzlich Muster fest, die aus früheren Generationen stammen. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Trauma eines früheren Familienmitglieds (z.B. Großvater) scheint sich auf den Klienten übertragen zu haben. Wie ist das möglich? Leider gibt es noch keine absolut gesicherte wissenschaftlich Antwort auf diese Frage. Jedoch spannende Ansätze. Auf einen möchte ich heute genauer eingehen.

Die Epigentik

Wikipedia schreibt „…Epigenetisch sind alle Prozesse in einer Zelle, die als „zusätzlich“ zu den Inhalten und Vorgängen der Genetik gelten.“  Damit sind Faktoren gemeint, die nicht innerhalb der DNA stattfinden, aber die Aktivierung bzw. Deaktivierung von genetischen Abschnitten beeinflussen. Dieser Vorgang ist aus einer evolutionären Perspektive enorm nützlich. Denn komplexere genetische Veränderungen benötigen mehrere Generationen bis hin zu Jahrhunderten oder noch längere Zeiträume um sich auswirken zu können. Wenn aber aufgrund bestimmter Umweltherausforderungen unser Verhalten oder Empfinden angepasst werden soll, benötigt es wesentlich kürzere Zeitabschnitte. Mehr als ein oder zwei Generationen sollten nicht dazwischen liegen. Andernfalls könnte das zu einem signifikanten Überlebensnachteil werden. Was bedauerlicherweise nicht bedeutet, dass jede epigenetische Veränderung vorteilhaft für uns ist. Es handelt sich lediglich um eine kurzfristige Anpassung des generationenübergreifenden genetischen Systems mit der ABSICHT einer Verbesserung durch eine ANPASSUNG an die aktuellen äußeren Umstände. Dabei geht es nicht darum, dass wir uns besonders gut fühlen, sondern möglichst optimal auf die vermeintlichen Herausforderungen eingestellt werden. Das an sich also ziemlich schlaue System neigt sozusagen aus Überlegungen der Vorsicht dazu über das Ziel hinaus zu schießen.

Machen wir es an einem Beispiel konkret. Deine Oma hatte eine schlimme traumatische Erfahrung. Womöglich über einen längeren Zeitraum. Das kann dann dazu führen, dass es zu einer epigenetischen Anpassung kommt, indem durch biochemische Prozesse im Erbgut DNA-Sequenzen beeinflusst werden, die Ängste (deren positive Absichten u.a Schutz, Vorsicht und Beschützen der Nachkommen sind) besonders stark hervortreten lassen. Somit könntest Du also ein ängstlicher Mensch sein obwohl es eigentlich in Deinem eigenen Leben keine Veranlassung dazu gibt.

Noch ist dieser Forschungszweig relativ jung. Daher muss die Wissenschaft schon auch mal auf Pflanzen zurückgreifen um das grundsätzliche Muster zu verstehen. Hierzu ein Auszug aus Wissensschau.de, der das ganz gut beschreibt:

Mehr als reine Vererbung

Stattdessen ändert sich die Aktivität der Gene: Sie wird erhöht oder erniedrigt, und in manchen Fällen werden die Gene sogar komplett an- oder abgeschaltet. Mit diesen Prozesse – die unabhängig von der klassischen Genetik ablaufen – beschäftigt sich die Epigenetik (epi, gr. auf, über).

Diese chemischen Änderungen am Erbgut – epigenetische Marker genannt – schaffen eine neue Informationsebene: Die Zellen des Körpers erhalten eine Anleitung, welche Gene sie wann und wo anzuschalten haben. Nerven-, Muskel- und Blutzellen tragen zwar das gleiche Genom, doch die epigenetischen Marker sind unterschiedlich – die Zellen entwickeln sich anders und erfüllen eine andere Funktion.

Manchmal werden diese epigenetischen Markierungen auch von einer Generation auf die Folgenden übertragen. Maispflanzen verändern spontan ihre Färbung3, und bei manchen Mäusen hängt die Fellfarbe der Nachkommen davon ab, welches Futter die Mutter zu fressen bekam5. Auch ein Knick im Schwanz kann vererbt werden5. Und Rattenmütter, die unter Stress stehen, bringen ängstliche Nachkommen hervor5. Änderungen im Genom – also in der Abfolge der DNA-Bausteine – wurden in keinem dieser Fälle beobachtet.

Von Generation zu Generation

Aber ist das wirklich Vererbung? Ein Fetus ist nicht völlig isoliert, wenn er sich im Bauch der Mutter entwickelt: Jeder Umweltreiz, der auf die Mutter wirkt, wirkt auch auf den Fetus. Und da sich Keimzellen schon sehr früh im Fetus entwickeln, trifft der Umweltreiz auch sie – die nachfolgende, zweite Generation kann somit direkt betroffen sein (siehe Abbildung). Und in so einem Fall kann man nicht von Vererbung sprechen.

Man muss also genau unterscheiden – zwischen epigene­tischer Vererbung (Übertragung von Mutter auf Kind) und generationsübergreifenden epigenetischen Effekten (Prägung des Fetus im Mutterleib). Um sicher zu sein, dass eine epigenetische Vererbung vorliegt, muss das vererbte Merkmal noch in der dritten Generation sichtbar sein.

Um zu den obigen Beispielen zurück zu kehren: Beim Mais findet tatsächlich eine epigenetische Vererbung statt, der Effekt tritt noch einige Generationen später auf. Die ängstlichen Nachkommen der gestressten Ratten-Mutter werden jedoch im Mutterleib geprägt – die folgende Generation verhält sich wieder normal5.

Zum vollständigen Artikel

Therapie in der Praxis

Kommen wir mit klassischen therapeutischen Methoden (inklusive NLP-Werkzeugen) nicht ans Ziel, ist es also durchaus sehr interessant in der Familiengeschichte nach möglichen Auslösern für ein „seltsames“ Symptomverhalten eines Klienten zu suchen. Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Ja, in der Tat können wir regelmäßig solche Muster erkennen, die im psychologischen Jargon bisher „Übernahme“, „Verstrickung“ oder „Identifikation“ genannt werden.

Und wir können erfolgreiche Veränderungsarbeit leisten! Da glücklicherweise ja nicht das Erbgut als solches verändert ist, sondern nur über biochemische Prozesse deren Präferenzen gesteuert werden, können wir auf diese Biochemie über erfolgreiche Therapie Einfluss nehmen. Das klingt spektakulärer als es ist. Denn alles was wir erleben wirkt sich biochemisch aus. Ohne Biochemie gäbe es kein Empfinden, kein Spüren oder auch keine Grundlage für Bewertungen (wie z.B. Gefahreneinschätzung, Freude, Humor oder körperliche Erregung).

Nun verstehen wir auch, warum Klienten manchmal auf ihrer Time Line (ein therapeutisches Werkzeug um Ursprungserfahrungen der Vergangenheit aufzuspüren) über ihre Geburt hinaus zurück gehen und scheinbar plötzlich in früheren Leben ankommen. Das muss nicht als Beweis für Reinkarnation betrachtet werden, sondern ist eher ein Beleg für eine epigenetische Vererbung. Also die Weitergabe eines emotionalen Reaktionsmusters auf eine späteren Generation wie oben bereits näher beschrieben.

Auf dieser Basis haben wir nun vielfältige Möglichkeiten sogar eine generationenübergreifende positive Veränderung einzuleiten. Natürlich führt das nicht zu einer Rückwärtswirkung  im realen Stammbaum. Aber das ist auch nicht erforderlich. Denn es reicht, wenn sich das psychisch-sellische Modell des Klienten neu ausrichtet und somit die ursprüngliche Reaktion zur Gefahrenabwehr bzw. Gefahrenbewältigung aus ihrem Hyperaktivmodus in den wesentlich gesünderen Stand-by Modus zurückgeführt wird. Also sich erst dann wieder aktiviert, wenn es eine tatsächliche Grundlage dafür gibt und keine aus früheren Generationen vererbte.

Professionelle NLPler wissen mit welchen Methoden diese Ergebnisse erzielt werden können. Aus Gründen der Komplexität kann ich diese hier nicht weiter ausführen. Im Bedarfsfall ist es sinnvoll sich an entsprechende Experten zu wenden, die dann wissen welche  Intervention im Einzelfall am besten geeignet ist.

Völlig unabhängig davon, ob die epigenetische Theorie sich in Zukunft als korrekt herausstellen wird, lässt sich aus der Praxis ganz klar erkennen, dass es generationenübergreifende Muster gibt. Werden diese richtig erkannt, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten erfolgreich damit zu arbeiten und somit die Lebensqualität der betroffenen Klienten zu verbessern.

Heiko Alexander, NLP-Professional-Trainer

NLP-Master

NLP-Professional-Coach