Historie und Entwicklung des NLP
Richard Wayne Bandler wurde 1950 im US-Bundesstaat New Jersey geboren. Die Familie zog später nach Kalifornien, in einen ärmeren Teil von San Jose im Süden der San Francisco Bay Area.
Als Mitte der sechziger Jahre die Jugend gegen die materialistische Orientierung der amerikanischen Gesellschaft rebelliert, ist Bandler als langhaariges Blumenkind aktiv beteiligt.
Der Rüstungswettlauf und das militärische Engagement der USA in Vietnam, die ganze kommerzielle Orientierung, lassen viele junge Menschen die Lösung ihrer Probleme in einer Verweigerung der Leistungsgesellschaft sehen. Der Ausweg aus der Krise wird eine Revolution der Werte: Nicht Vaterland, Familie und Leistung, sondern Liebe, Frieden und persönliches Glück sind Leitmotiv der neuen Zeit. Bezeichnend für die friedliche “Flower-Power-Bewegung“ ist vor allem die neu entstandene Rockmusik. Die “Westcoast-Musik” wird mit Namen wie The Greatfull Dead, Jefferson Airplain, Santana, The Steve Miller Band, The Birds, Country Joe and the Fish, Janis Joplin und Quicksilver Messenger Service verbunden. Zusammen wird unter freiem Himmel unter Einfluß psychedelischer Drogen wie LSD, Psylocybin-Pilzen und Haschisch deren Klängen gelauscht.
Das Woodstock-Festival stellt im August 1969 mit fast einer halben Million Menschen den Höhepunkt der kulturellen Revolution dar. Sie feiern ihr neues Zeitalter der Liebe und der Friedfertigkeit. Noch im gleichen Jahr, am 6. Dezember, findet diese Vision ein jähes Ende: Während eines Konzertes der Rolling Stones, in der Nähe von San Francisco, wird der farbige Meredith Hunter von einem Mitglied der Rockergruppe Hell’s Angels ermordet. Mit ihm stirbt der Traum der “Woodstock Nation”.
Soviel zum geschichtlichen Hintergrund und zurück zu Richard Bandler in das Jahr 1967:
Das ist die Zeit, als Robert S. Spitzer, angesehener Psychiater und Präsident des Verlagshauses Science & Behavior Books, auf Bandler aufmerksam wird. Seine Frau Becky hatte Bandler, den 17jährigen Studenten der Freemont High School, als Schlagzeuglehrer für ihren Sohn Dan angestellt. Die Spitzers sind von seiner Aufgeschlossenheit philosophischen Fragen gegenüber beeindruckt, aber auch von seiner Art, Musik zu lehren. Sie bemühen sich, Bandlers Fähigkeiten und Begabungen zu fördern. Spitzer vertraut ihm Verlagstätigkeiten an, unter anderem das Anfertigen von Video- und Tonbandaufnahmen von Therapie-Workshops.
Nach der High School wechselt Bandler an das Foothill College in den Los Altos Hills. Dort zeichnet er sich dadurch aus, keine Kompromisse gelten zu lassen und sich nicht den Ritualen des akademischen Betriebes widerspruchslos unterzuordnen. Nach seinem Abschluss geht er an die University of California in Santa Cruz. Dort wohnt er mit Hund und Freundin in einer Hütte auf dem Grundstück der Spitzers, die sich immer mehr zu seinen Mentoren entwickelt haben. Santa Cruz, auch heute noch in esoterischen Kreisen als “Ort der Kraft” bekannt, ist geprägt von experimentell orientiertem Kulturleben. Eine bunte Mischung Kultur schaffender Einwohner (A. Hitchcock, Shirley Tempel, Santana usw.) bildet die richtige Substanz für Offenheit, Experimente und Platz für Neuerungen.
Im Rahmen seines Studiums entwickelte Bandler ein reges Interesse an den Verhaltenswissenschaften, so daß Philosophie, Mathematik und die Computerwissenschaften immer mehr zurücktreten.
Sein Augenmerk liegt auf den Arbeiten von Fritz Perls, dem Begründer der Gestalttherapie. Perls, seine Frau Lore und der Sozialphilosoph, Alternativpädagoge und Schriftsteller Paul Goodmann schließen 1969 mit Spitzer einen Vertrag über mehrere Bücher ab. Inhaltlich sollen sie die Philosophie und psychotherapeutische Praxis der Gestalttherapie anhand verschriftlichter Filme, die Perls bei der Arbeit zeigen, herausarbeiten. Dem Leser sollte auf diese Art der eigentliche Prozeß der Gestalttherapie enthüllt werden: „’Warum’ und ’Weil’ sind in der Gestalttherapie fast Schutzworte, die durch ’Wie’ ersetzt werden. Denn mit der Antwort auf die Frage ’wie’ bekomme ich das Geschehen in den Griff.“ Leider verstarb Fritz Perls bereits 1970.
Jetzt stand Spitzer mit einer Menge unsortierten Materials da, das er so nicht verwenden konnte. Auch fand er keinen Studenten, der die Muße hatte, das Material zu bearbeiten. So kam es, daß Spitzer 1972 alles an Bandler übergab. Dieser war begeistert und saß nun Tag für Tag im Studio, sah sich die Filme Perls an, lauschte dem Gesagten und fertigte präzise Transkriptionen davon an. Er verinnerlichte die Eigenarten Fritz Perls in der Art, daß er anfing, wie Perls zu reden, zu gehen und sich zu verhalten (impliziertes Modellieren).
Diese Arbeit führte bei Bandler zu einer entscheidenden Prägung nach Fritz Perls. Noch im gleichen Jahr setzte er das Gelernte um, nutzte die Möglichkeit höherer Semester, selber Vorlesungen zu halten und bot ein praxisorientertes Seminar über Gestalttherapie an. Dies war möglich, da die University in Santa Cruz sich Anfang der 70er Jahre recht liberal zeigte und speziell am Kresge College, wo auch das Seminar stattfand, ein Freiraum für experimentelle Gruppenaktivitäten entstanden war.
Nichts desto trotz war die gestalttherapeutische Arbeit ein absolutes Novum im behavioristisch dominierten Lehrbetrieb. Die einzigen erlebnisorientierten Gruppen gingen auf Carl Rogers non-direktiven, auf persönliches Wachstum ausgerichteten Ansatz zurück.
Carl Rogers ist Begründer der Gesprächspsychotherapie und Mitbegründer der Gesellschaft für Humanistische Therapie (1962). Er erweiterte die Humanistische Psychologie (nach A. Maslow), die dritte Kraft der Psychologie, zu den Denkschulen der Psychoanalyse und des Behaviorismus.
Obwohl Bandler von Perls gelernt hatte, waren seine Gestaltgruppen doch zu unterscheiden von Perls Ansatz, da dieser bei den Humanistischen Therapien einzuordnen ist. Bandler ging es vor allem um die therapeutische Wirkung der Gestaltarbeit und um deren Erforschung. Sehr hilfreich dabei wurde für ihn die Zusammenarbeit mit John Grinder.
Grinder, geboren am 10. Januar 1939 im US-Bundesstaat Michigan, arbeitete erst als Undercoveragent für die CIA, bevor er sich in der auf Noam Chomsky zurückgehende Schule der Transformationsgrammatik einen Namen machte. Nun war er unter Gregory Bateson, Kulturanthropologe und Kommunikationsforscher, Mitbegründer des kybernetischen Denkens, am Kresge College als Assistenzprofessor für Linguistik tätig.
Als er Bandler kennenlernte, war er begeistert von dessen therapeutischen Fähigkeiten. Beide trafen eine Vereinbarung: Grinder sollte Bandler helfen, herauszufinden und bewusst zu machen, was genau zum Erfolg der Gestaltgruppen führt und Bandler sollte Grinder beibringen wie er Gestalttherapie macht. Nach zwei Monaten hatte Grinder Bandlers Muster herausgearbeitet und konnte eine Gruppe wie Bandler leiten, was er dann auch tat. Diese Gruppe nannte er “Wunder-Wiederholungsgruppe” .
Die Art und Weise wie Grinder Bandler “auspackte”, wird Explizites Modellieren genannt. Es geht darum, die speziellen Fähigkeiten einer Person für andere erlernbar zu machen. Dazu beobachtet und befragt man diese Person systematisch, bis die grundlegenden Regeln und Muster in kleinere Komponenten zerlegt und somit für andere erlernbar sind. Es beinhaltet die nonverbalen, emotionalen und verbalen Prozesse (Neuro) einer Person und die Analyse der genutzten Sprachmuster (Linguistik) und ist vergleichbar mit dem unbewußten kindlichen Modellernen:
Kinder identifizieren sich mit ihren Bezugspersonen um zu lernen, sie ahmen sie nach. Grinder hatte zu diesem Zeitpunkt schon Erfahrung damit, das Erlernen von Sprachen zu modellieren. Erstmals wurde es nun im Bereich der therapeutischen Kommunikation verwandt. So brachte Grinder sein Wissen über Linguistik und Modellbildung ein, während Bandler seine Erfahrungen im Bereich der zeitgemäßen psychotherapeutischen Schulen wie Gestalttherapie, Familientherapie, Rolfing und Reichianische Körperarbeit, sowie sein Talent, Verhalten nachzuahmen, mit einbrachte.
Ihr Erfolg war groß. Es bestand ein reges Interesse an den Gruppen Bandler und Grinders und sie etablierten sich in der Gegend um Santa Cruz. Dies war auch der Verdienst von Bandlers energischer Art, die Dinge anzutreiben. Eine häufig von ihm verwendete Redewendung war: “Go for it … Now!!! ”
Über die Familie Spitzer lernte Bandler auch Virginia Satir (Familientherapie) kennen. Spitzer kannte Satir aus seiner Zeit am Mental Research Institut (MRI), wo er ihr Vorgesetzter als Direktor der Ausbildungsabteilung gewesen war. Das MRI war 1958 gegründet worden, um die Entstehung seelischer Störungen unter Anwendung kybernetischer Modelle, die zur Beschreibung komplexer interagierender Systeme dienen, zu erforschen und sie zu therapieren. Virginia Satir arbeitete seit Mitte der 60er Jahre an der Entwicklung von zwei therapeutischen Werkzeugen, die sie “Parts Party” und “Familienre-konstruktion” nannte.
Bandler machte, so oft er konnte, in der Zeit zwischen 1972 und 1974, Video- und Tonbandaufnahmen ihrer Arbeit. Dann untersuchte er diese nach ausschlaggebenden Methoden, um herauszufinden, was das Besondere ihrer Arbeit war und was ihre Erfolge bestimmte. Er imitierte ihre Vorgehensweise auch für seine Gruppen und war von den Ergebnissen begeistert.
Zu dieser Zeit hatte sich ein fester Kern von Teilnehmern in den Gruppen herausgebildet. Bandler und Grinder begannen gezielt, Werkzeuge zur Informationsgewinnung zu erproben. Sie nannten das Projekt “Meta Modell”.
Es zeigte sich, daß der verbale Austausch zwischen Therapeut und Klient das bestimmende Moment in der therapeutischen Veränderungsarbeit ist. John Grinder als Linguistikprofessor formalisierte die wichtigen Sprachmuster und dann wurde ihre Wirkung in der Gruppe überprüft.
Sie arbeiteten dabei auf der Basis der Allgemeinen Semantik von Alfred Korzybski, die aussagt, daß der Mensch sich deshalb von allen anderen Lebewesen unterscheidet, weil er sich mehr an der Bedeutung seiner selbstgeschaffenen Worte und Eindrücke orientiert, als an dem, was ihm seine Sinne über die direkte Umwelt vermitteln. Außerdem bedienten sie sich des Modells der Transformationsgrammatik nach Noam Chomsky, das versucht, Prozesse wie schreiben, denken und sprechen (Oberflächen- und Tiefenstruktur der Sprache) zu beschreiben, da diese zu der Entwicklung von Sprache notwendig sind. Bandler und Grinder entwickelten nicht nur die Ansätze eines Modells, welches formell, konkret und lernbar beschreibt wie Methoden wirken, sondern vor allem was bei einem Veränderungprozeß dazu führt, daß er wirkt.
Zu einem weiteren Fortschritt wurde die Begegnung mit Milton H. Erickson (Hypnotherapie), den sie durch Gregory Bateson kennen lernten. Sie waren auf den hypnotischen Ansatz aufmerksam geworden, da sie feststellten, daß das Verhalten ihrer Klienten bei der Arbeit mit gelenkten Phantasien aus der Gestalttherapie nicht von dem Verhalten von Menschen in mittleren und tiefen Trancezuständen zu unterscheiden war. Bei gelenkten Phantasien stellt der Klient sich eine Szene vor, die er beliebig positiv imaginiert. Danach kann der Klient diese imaginierte Szene als positive Reverenzerfahrung in seinem zukünftigen Erleben nutzten.
Erickson war deshalb so interessant, weil er als erster Therapeut sich nicht mit abstrakten, theoretischen Spekulationen zur Entstehung seelischer Störungen begnügte, sondern pragmatisch orientierte Strategien zur Veränderungsarbeit und deren Kommunikationsmuster erforschte.
Bandler und Grinder untersuchten Ericksons Arbeiten mit den gleichen Methoden wie Satirs und Perls und suchten nach Mikromustern seines Verhaltens. In der Erprobung ihrer Ergebnisse machten sie sich Ericksons Vorgehensweise zu eigen und legten sich in der Wahl der Mittel, um zu einem Ziel zu kommen, nicht von vornherein fest. Es prägte sich der Leitsatz “Wann immer das, was du tust, nicht funktioniert, dann tu etwas anderes!” Zu dem “Meta Modell” kam so das “Milton Modell”.
Bei diesen Forschungen fanden sie heraus, daß das nonverbale Verhalten zwischen Therapeut und Klient ein wichtiger Bestandteil der Veränderungsarbeit ist. Ihre Modelle mussten also nicht nur das Sprachverhalten berücksichtigen, sondern auch effektive Muster nonverbaler, therapeutischer Kommunikation darstellen.
Im Ganzen bekam es nun den Namen NeuroLinguistisches Programmieren.
Da diese Arbeiten im Rahmen psychotherapeutischer Veränderungsarbeit stattfanden, kam es zu der Meinung, NLP sei eine neue Psychotherapie. Doch die Modelle sind so beschaffen, daß sie auf alle kommunikativen Prozesse angewendet werden können.
Quelle: Wolfgang Walker, Abenteuer Kommunikation