NLP-Wahrnehmungspositionen
Im Rahmen meiner Tätigkeit als BWL Dozent vermittle ich unter anderem das Thema Unternehmen und Unternehmensziele. Um die Theorie etwas aufzulockern und den Teilnehmern etwas praktisches mit an die Hand zu geben, habe ich von einer befreundeten Kollegin, die NLP Master ist, eine Übung übernommen – die Bodenanker.
Dabei geht es darum, für ein konkretes Ziel nach den Wohlgeformtheitskriterien durch den Teilnehmer eine praktikable Vorgehensweise entwickeln zu lassen. Das funktionierte immer sehr gut und ich bekam immer ein positives Feedback durch meine Teilnehmer.
Im letzten Kurs, schon während meiner aktuellen Practitioner Ausbildung, führte ich diese Übung mit einer Teilnehmerin durch… und scheiterte grandios! Beim nächsten Seminar erzählte ich Gudrun, meiner Trainerin davon und fragte nach Rat. Sie musste schmunzeln und verwies mich auf das Meta-Modell der Sprache und dessen Anwendung zur „sauberen“ Auftragsklärung im Coaching.
Wir stellten schnell fest, dass das Ziel, welches die Teilnehmerin mir genannt hatte, überhaupt nicht mit ihrem Modell der Welt übereinstimmte und das Scheitern daher vorprogrammiert war. Dermaßen mit Anwendungswissen gestärkt, nahm ich mir beim derzeitigen Kurs vor, diese Anwendungstipps zu beherzigen. Und wie der Zufall so spielt, hatte ich beim aktuellen wieder einen Teilnehmer, der ein ähnliches Muster aufwies. Als gebürtiger Spanier war sein vordergründiges Problem, dass er sich, nach Eigenaussage, nicht in deutsche Unternehmensstrukuren einpassen kann und deshalb keinen Job findet.
Sein Ziel beschrieb er wie folgt: Er will sein Verhalten so modifizieren können, dass er sich der Kultur einem deutschen Unternehmen anpassen kann. Unter Beachtung der gelernten Basics und meiner persönlichen Erfahrungskurve, führte ich daher vor der Übung ein Meta-Modelling unter Zuhilfenahme der Wahrnehmungspositionen durch. Ich bat ihn, neben mir Platz zu nehmen, damit wir uns die Zeit nehmen können, vor der Übung uns in Ruhe über sein Ziel klar zu werden.
Ich begann damit, einen guten Rapport herzustellen. Da er, oberflächlich betrachtet, ein sehr extrovertierter und gut aufgelegter Mensch war, unterhielten wir uns zunächst über seine Vergangenheit. Dabei spiegelte ich in, indem ich seine humorige Tonalität und die relaxte Körperhaltung übernahm. So „witzelten“ wir eine Weile über seine beruflichen Stationen und die Besonderheiten in Spanien gegenüber der deutschen Mentalität.
Der Mismatch bestand daran, ihn dann in ernstem Ton zu fragen, ob er denn in Deutschland schon gearbeitet habe. Als er bejahte, dann ich, ihn erzählen zu lassen, wie sich denn der Arbeitsalltag aus seiner Wahrnehmung gestaltet hatte. Sehr ernsthaft schilderte er dann, wie er von seinem deutschen Chef unterdrückt worden sei, keine seiner sehr guten Ideen sei angenommen oder gar umgesetzt worden, im Gegenteil, er wurde „unterdrückt“ indem er niedrige Arbeit machen musste und keine Verantwortung übertragen bekam (was in Spanien selbstverständlich für ihn war).
Dann bat ich ihn, er solle sich doch mal in die Situation seines damaligen Chefs versetzen (Du-Position). Und sich nun vorstellen, wie es diesem mit seinem neuen Arbeitnehmer aus Spanien ergangen ist. Er tat sich damit sehr schwer, so dass sein limitierender Glaubenssatz sehr schnell zutage trat – „So wie ich bin, ist das okay, alle anderen werden auch schon so sein“. Ich bat ihn dann, einfach einmal das Verhalten seines Chefs bei einem Meeting wiederzugeben. Das Ergebnis war verblüffend, er stellte fest, dass sein Chef das genaue Gegenteil war, ein eher ruhiger, besonnener, introvertierter Typ, der auch Gespräche in dieser Art und Weise bevorzugte.
Dann begleitete ich meinen Teilnehmer in die dissoziierte Position. Er sollte sich vorstellen, bei dem damaligen Gespräch könne er jetzt als Mäuschen dabei sein und sich beide Gesprächspartner von außen anschauen. Relativ schnell musste er lachen, was ungemein ansteckend wirkte und den Rapport zwischen uns verstärkte. Seine Worte: „Das geht ja gar nicht! Die beiden sind ja wie Feuer und Wasser, das passt doch überhaupt nicht!“ Ich nahm ihn aus der Position heraus und wir setzten uns wieder.
Ich fragte ihn, welche Erkenntnis er denn aus dieser kleinen Demo gewonnen habe (Future Pace). Die Beurteilung der Situation brachte für ihn einen verblüffenden Erkenntnisgewinn- es ginge ja gar nicht darum, sich an eine deutsche Firmenkultur anzupassen, die könne er ja nicht mal genau definieren. Für ihn ist es in Zukunft wichtig, ein Unternehmen auszusuchen, wo er mit der Mentalität seines Chefs klarkommt und auf gleicher Wellenlänge kommunizieren kann.
Stefan Herzberg, NLP-Practitioner